GReeeNs Musik als Mutmacher: Ängste besiegen und Träume leben
Du betonst oft, dass deine Musikkarriere der Beweis dafür ist, dass es sich lohnt, seine Träume nicht aufzugeben – egal wie unrealistisch sie erscheinen. Gibt es einen Moment, in dem du gespürt hast, dass deine Musik einen positiven Einfluss auf jemanden hatte?
Ja, durch viele Nachrichten, die ich erhalte. Da gibt es auch Krasse. Eine davon war, dass jemand auf dem Weg zu den Bahngleisen war, um sein Leben zu beenden. Kurz bevor der Zug kam, hörte die Person noch etwas Musik und plötzlich spielte mein Track „Wunderschönes Wesen“. Der Song brachte sie dazu, umzudrehen und die Liebe zum Leben und zu sich selbst wiederzufinden. Solches Feedback zeigt mir, dass ich wirklich einen Unterschied machen kann. Das größte Geschenk ist, wenn diese Freude, die ich beim Musikmachen empfinde, auf andere Menschen überspringt. Darum ist die Musik zur Liebe meines Lebens geworden.
Songtexte als Rettungsanker: ein bewegender, jedoch für mich auch fragwürdiger Blick auf ein ernstes Thema. Kann ein Lied wirklich so eine lebensverändernde Kraft haben?
Auf eine andere Weise hat die Musik auch dein Leben verändert. In deinem Song „Mogli“ singst du: „Alles fing an mit 'nem Hobby, jetzt hab' ich Millionen auf Spoti. Ohne Manager, Label, sondern alles lonely.“ Welche Vor- und Nachteile hatte dein ungewöhnlicher Erfolgsweg ohne traditionelle Hilfe?
Es war alles notgedrungen, ehrlich gesagt. Ohne Label und Manager musste ich alles selbst machen. 2010 war ich Teil eines Rap-Duos namens „Die Zwei – der Rote und der Grüne“. Als der „Rote“ andere Wege ging, wurde ich zu GReeeN, weil „der Grüne“ zu politisch klang. Wir haben als Duo alles selbst probiert: CDs gebrannt, beschriftet und verteilt. Ich habe mich bei jedem Label beworben und nur Absagen kassiert. Das zeigte mir, dass ich die Zügel selbst in die Hand nehmen muss. Ich wusste, ich kann geile Mucke machen und bin ein ungeschliffener Juwel, doch ich musste es allein durchziehen. Der Vorteil ist, ich habe die volle Kontrolle und muss mich nicht verbiegen. Ich wusste aber, der Retter wird nicht kommen. Der Retter muss ich selbst sein. Ich muss der Architekt meines Lebens sein.
Im Song „Bruchteil“ setzt du dich mit deinem Image als „Kiffer-Rapper“ auseinander. Welche anderen Facetten deiner Kunst willst du in Zukunft mehr zeigen?
Tiefgründigkeit und Lebensphilosophie sind schon immer ein großer Teil meiner Musik. Die Leute sehen nur einen Bruchteil und bilden sich ein Urteil. Jahrelang hab ich nicht über Weed gerappt, weil ich nicht in die Kiffer-Schublade gesteckt werden wollte. Ende 2017 war mein Battlerap-Hype vorbei. Ich war dankbar für meine Hardcore-Fans, aber ich war noch nicht zufrieden. Ich will Millionen Menschen erreichen und inspirieren, also habe ich es doch aufgegriffen. Es ist krass, wie schnell man abgestempelt wird. Mir ist es mittlerweile egal, was die Leute denken. Natürlich werde ich meine Evergreens immer singen, aber von meinen über 100 Songs handeln nur zwölf von Cannabis und es werden nicht mehr viele dazukommen. Ich will den Fokus auf meine anderen Stärken legen: lebensbejahende, tiefgründige Texte.
Nach 15 bis 16 Jahren des täglichen Kiffens hast du vor zwei Jahren eine einjährige Pause eingelegt. Wie kam es dazu?
Weil ich schon viel zu lange kiffe. Ich liebe die Klarheit des Lebens und wollte wissen: Wie leistungsfähig bin ich ohne Alkohol und Cannabis, mit viel Sport und Fokus auf meinen Traum? Ich habe es nur ein dreiviertel Jahr durchgezogen, weil ich ab einem Punkt keine Veränderungen mehr bemerkte. Gesunder Konsum ist für mich gelegentliches Kiffen, ohne das Bedürfnis, jeden Abend zu kiffen. Jeder muss das für sich selbst wissen, aber die Dosis macht das Gift. Fakt ist: Kiffen gehört nicht zu den Ratschlägen, die ich geben würde. Es ist mein Kryptonit, meine Schwachstelle.
Was rätst du jemandem, dessen Cannabiskonsum negative Auswirkungen auf seine täglichen Aufgaben hat?
Aufhören! Bitte aufhören! Geh raus aus deiner Gewohnheit und lenk dich ab, mach einen Urlaub irgendwo. Meide deinen Freundeskreis, wenn sie alle kiffen. Such dir neue Freunde und Alternativen wie Sport oder Hobbys. Wenn du noch Probleme mit dem Einschlafen hast, geh saunieren und Eisbaden. Wichtig ist, durchzuhalten und etwas zu finden, das dir Freude bereitet, ohne davon abhängig zu sein.
Basieren denn all deine Songs auf persönlichen Erfahrungen, oder gibt es welche, die einfach nur deiner Fantasie entspringen? Ich denke da besonders an „Klick“ – darin singst du über eine Romanze mit einer Polizistin.
(Lacht) Ja, Spaßlieder wie „Eismann“ und „Klick“ sind meiner Fantasie entsprungen. Als Kiffer hat mich das total angemacht – diese rechtschaffene Dame in Uniform, die abends noch einen Joint mit mir raucht und dann ins Bett hüpft. Nicht nur ihr Frauen steht auf Uniformen (lacht). So entstand der Track, der auch Polizeigewalt thematisiert. Ich wäre auch gerne Schauspieler geworden. Zum Beispiel schreibe ich gerade an einem Track namens „President“, in dem ich aus der Ich-Perspektive eines größenwahnsinnigen Typen singe. Was steckt da an Wahrheit dahinter? Das ist jetzt hier die Frage (wir lachen beide). Solche Tracks erlauben mir, meine verrückte Seite zu zeigen. Auch wenn es plumpe oder primitive Seiten sind – ich bin auch nur ein Mensch und ein Quatschkopf.
Plötzlich springt er auf und beginnt mit den lauthals schnatternden Enten am Teich zu reden: „Ey, was meckert ihr denn? Die streiten. Bianca, du hast den Tisch nicht aufgeräumt. Nein, du hast ihn nicht aufgeräumt! Boxerei!“ Dann nimmt die eine Ente Anlauf, steigt in die Lüfte und passend dazu singt er: „Sie hebt ab, doch etwas hält sie am Boden – ist sie denn zu schwer?“ Ich schaue ihn an und denke: Der Typ lebt wirklich in seiner eigenen Fantasiewelt. Er setzt sich wieder und grinst mich mit einem verschmitzten Lächeln, fast schon stolz, an. Wenn ich ihn so sehe, muss ich auch schmunzeln, doch zugleich frage ich mich: Wie gelingt es jemandem, der von jeder Kleinigkeit begeistert und sofort mit voller Lebensenergie dabei ist, sich nicht von allem mitreißen zu lassen? Wie setzt er klare Grenzen? Und wie bleibt er sich selbst dabei treu?
Du, sag mal: Worum geht es in deinem Song „Nein“?
Ich will immer, dass es allen gut geht und leide mit, wenn mein Nein jemanden verletzt. Aber das gehört zum Leben und ist nicht meine Baustelle. Jeder muss mal ein Nein akzeptieren. Mir fällt es schwer, direkt zu sein, deshalb habe ich mir meinen Neinsager-Ritter tätowieren lassen, den ich selbst gemalt habe. Er hilft mir, daran zu denken, dass ich mit Liebe zu anderen Nein sagen muss, damit ich zu mir selbst Ja sagen kann.
Im Musikvideo zum Song konnten deine Fans Videos mit der gesungenen Hook einsenden und Teil des Videos werden. Wieso hast du da dann bewusst Ja zu all deinen Fans gesagt und sie so aktiv in dein Video mit eingebunden?
Finde ich voll schön, dass du das sagst (wir lachen beide). Ich wollte damit zeigen, dass es nicht nur mich betrifft, sondern viele, die ausgebeutet werden, weil sie Ja sagen, obwohl sie Nein meinen. Wir haben das aus verschiedenen Gründen leider nicht gelernt. Ich wollte zeigen, dass wir viele sind, die damit kämpfen.
Gab es einen Wendepunkt in deinem Leben, in dem du dich bewusst einer deiner Ängste gestellt hast? Und was würdest du jungen Menschen raten, die aus Angst zögern, ihre Träume zu verfolgen?
Ja, als mich das erste Mal ein Kumpel fragte, ob ich bei einer Veranstaltung auftreten will. Mein ganzer Körper reagierte mit Panik, aber ich habe gelernt, auf meine Ängste zuzugehen. Eine Woche später stand ich auf der Bühne. Das hat mein Leben verändert. Heute fühle ich mich auf der Bühne zu Hause, als wäre es mein Wohnzimmer. Mein Rat: Stell dich deiner Angst. Es geht nicht darum, das Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, sondern der Weg ist das Ziel. Damals wollte ich nichts mehr, als das, was ich heute habe. Jetzt blicke ich zurück und denke: Hey, weißt du, wie schön das war? Dieses Leuchten in den Augen, jeden Tag daran zu feilen, diese Energie. Das war so schön! Da hat der Traum noch richtig gelebt.
Da war er noch ein kleines Pflänzchen.
Und jetzt ist er ein prächtiger Baum. Das möchte ich den Menschen mitgeben: Glaubt an etwas und redet es euch nicht nur ein. Findet etwas, das euren Talenten entspricht. Wenn ihr eure Stärken realistisch einschätzt, dann könnt ihr wirklich an euren Weg glauben und werdet nie aufhören, ihn zu gehen.