Im Sommer Skifahren

Im Sommer Skifahren

Im Winter beeindrucken verschiedenste Athlet*innen die Zuschauer in den unterschiedlichsten Disziplinen. Aber wie sieht ein Training im Sommer aus?

Im Winter beeindrucken verschiedenste Athlet*innen die Zuschauer in den unterschiedlichsten Disziplinen. Aber wie sieht ein Training im Sommer aus?

Treffpunkt 15.00 Uhr vor dem Internat. Die Jugendlichen packen ihr Equipment in den VW-Bus. Jetzt sind sie noch in Schlappen unterwegs, später müssen sie mit Trittbrettern unter den Füßen ins Schwarze treffen. 15 Minuten Fahrt aus der grauen Zivilisation, rein in den nahgelegenen Wald. Dort warten schon einige Kameraden auf sie, die es kaum erwarten können loszuballern. 

So startet ein typisches Skiroller-Training der Nachwuchs-Biathlet*innen des deutschen Skiverbands. Sie lernen und wohnen zusammen im Skiinternat in Furtwangen. Morgens geht es in die Schule, dann zum Mittagessen und auf ins Nachmittagstraining. Wenn sie Glück haben! Falls am Morgen Unterrichtsstunden ausfallen, werden diese ebenfalls für das Training genutzt. Aber für das Leben im Internat ist nicht jeder gemacht. Es erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung.

Das Skiinternat in Furtwangen ist als Eliteschule des Sports bekannt.

Das Skiinternat in Furtwangen ist als Eliteschule des Sports bekannt.

Seit über 25 Jahren hat sich das Skiinternat für junge Talente bewährt.

Seit über 25 Jahren hat sich das Skiinternat für junge Talente bewährt.

Bei strahlender Sonne, die auf das Übungsgelände scheint und knackigen 28 Grad legen die Athlet*innen ihre grauen Gummimatten zurecht. Zwischen einem kleinen Hüttchen und hohen Fichten, steht der hölzerne Schießstand bereit. Trainer Steffen Hauswald fegt akribisch die Patronenhülsen der Vorgänger weg, während Trainerin Ina Metzner die Zielscheiben erneuert. Diese können im Training ganz unterschiedlich aussehen.

Wie die Varianten aussehen, weiß Metzner. Sie können verschiedene Formen haben wie der klassische Kreis, ein Dreieck oder ein Quadrat. Zusätzlich gibt es eine Variante mit einem horizontalen oder vertikalen Ausschnitt des Kreises. Unterschiedliche Formen können das Zielen erschweren, da sie andere Schwerpunkte und Konturen haben.

Das sind ein paar Beispiele der Zielscheiben. Einmal in leichteren Formen...

Das sind ein paar Beispiele der Zielscheiben. Einmal in leichteren Formen...

... und einmal in eher exotischeren Formen.

... und einmal in eher exotischeren Formen.

Bevor die jungen Sportler*innen sich das heiß begehrte Sportgerät Skiroller anschnallen dürfen, stehen Schießübungen ohne Skiroller auf dem Trainingsplan. Erst im Liegen, dann im Stehen. Sie legen oder stellen sich auf ihre Matten und lassen Trainingsschüsse auf die 50 Meter entfernten Zielscheiben ab.

Im Wettkampf-Biathlon unterscheiden sich die Zielscheiben, je nach Schussart. Stehend schießen die Biathlet*innen auf Scheiben mit einem Durchmesser von 11,5 Zentimeter. Beim Liegendschießen misst die Scheibe 45 Millimeter im Durchmesser. Pro nicht getroffener Scheibe erhalten sie eine Strafe. Im Einzelwettkampf ist das für jedes verfehlte Ziel eine Zeitstrafe von einer Minute. In anderen Disziplinen müssen sie eine Strafrunde von 150 Metern laufen.

Ab auf die Strecke

Nach dem Warmschießen dürfen die Jugendlichen nun endlich ihre Skiroller anziehen. Dafür kurz ins Holzhüttchen und die Ausrüstung holen. Dazu gehören natürlich die Skiroller, passende Schuhe, Helm und Handschuhe. Mit ihrem Kleinkaliber-Gewehr auf der Schulter, welches im Biathlon liebevoll Waffe genannt wird, geht es ans Herzstück des Trainings. Das Ausdauer- und Schusstraining. Doch davor einmal Warmlaufen.

Seit über 50 Jahren werden Skiroller als Alternative im Sommer genutzt, erzählt Hauswald. Dieses Sportgerät besteht aus einem Trittbrett, woran zwei Rollen befestigt sind. Es kommt den „echten“ Ski am nächsten und wird in fast allen Ländern verwendet, um die Skitechnik auch im Sommer zu trainieren. Dabei kann man zwei Techniken unterscheiden, beschreibt Hauswald. Einmal die Skating-Technik, welche als Wettkampftechnik gesehen wird und die klassische Technik, welche als Ausdauerübung genutzt wird.

Das merkt man auch während des Trainings. Die Athlet*innen haben eine fordernde Einheit vor sich. Es fängt an mit drei Runden laufen und im Liegen schießen, gefolgt von wieder drei Runden laufen und im Stehen schießen. Auf der zwei Komma fünf Kilometer langen Laufstrecke dürfen sie etliche Höhenmeter runter und wieder hochlaufen. Das macht sich auch an den Farben ihrer Köpfe bemerkbar.

Im Vereinsheim der Skirollerstrecke hängen noch Skiroller der vergangenen Zeit.

Im Vereinsheim der Skirollerstrecke hängen noch Skiroller der vergangenen Zeit.

Doch bis heute hat sich einiges getan.

Doch bis heute hat sich einiges getan.

Im Sport ist eine Auswertung des Trainings sehr wichtig. Neben Videoanalysen der Lauftechnik nutzt das Trainierteam das sogenannte Polarsystem. Dabei werden die Pulswerte der Sportler*innen täglich aufgezeichnet und geprüft. Zudem verwenden sie eine spezielle Messapparatur, um die Schusspräzision zu bestimmen. Dabei handelt es sich um eine Laserschießanlage, mit der man ganz genau ermitteln kann, was die Athlet*in beim Schießen macht. Das heißt, man kann sehen, wie der Treffer oder Fehler entsteht.

Während die Biathlet*innen ihre Runden laufen, stellt sich Trainer Hauswald hinter die Matten und schaut durch die Messapparatur. „Rechts tief!“, „Treffer hoch!“, „Ganz weit links hoch!“, schallen seine Ansagen über den Platz. Diese treffen natürlich nicht auf taube Ohren, sondern werden von den Jugendlichen verinnerlicht. Denn jeder will sich hier verbessern und fit für den Winter werden.

Trainer Hauswald schaut kritisch durch die Messapparatur und ruft den Sportler*innen seine Kommandos zu.

Trainer Hauswald schaut kritisch durch die Messapparatur und ruft den Sportler*innen seine Kommandos zu.

Die Nachwuchstalente strengen sich dabei gleich zweimal an.

Die Nachwuchstalente strengen sich dabei gleich zweimal an.

Für den Winter ist die Schneefallgrenze in den letzten Jahren weiter angestiegen, so Hauswald. In Deutschland haben wir das Glück, einige Biathlonanlagen zu haben, welche deutlich über 1.000 Meter liegen, wie zum Beispiel in Schönwald oder am Notschrei, erzählt Hauswald. Anlagen unter 1.000 Metern leiden deutlich stärker unter Schneemangel und müssen sich auf Kunstschnee verlassen. Dafür werden über das Jahr Depots angelegt, in denen mehrere tausend Kubikmeter Kunstschnee gelagert werden können. Diese werden lediglich mit Hackschnitzeln abgedeckt und kühlen sich selbst, was bedingt, dass ein geringer Prozentsatz bis zum Frühwinter schmilzt. Doch durch ihre Eigenkälte wird kein energiefressendes Kühlsystem benötigt.

Anders ist das bei Indoor-Schneeanlagen. Diese werden in der Sommervorbereitung kaum genutzt, so Hauswald. „Andere Altersklassen, ich sage so in Richtung Junioren, Männer, Damen, nutzen das etwas mehr. Aber in der Regel sind wir in der Skihalle gar nicht, bis wenig unterwegs“. Das Betreiben dieser Anlagen erfordert erhebliche Energie für die Kühlung, Schneeproduktion und Beleuchtung, was hohe Kosten und Umweltbelastungen verursachen kann. Darum ist es in der Sommervorbereitung der Wintersportler*innen wichtig Alternativen des Trainings zu schaffen. Das Training setzt sich aus Fahrradtouren, Jogging-Einheiten und Krafttraining zusammen, wobei Steffen Hauswald auch seine jahrelange Erfahrung mit einfließen lässt.

Am Schießstand

Diese Erfahrung zeigt sich auch während des Trainings. Jeder ist voll konzentriert dabei. Rote Köpfe und Schnaufen gehören dabei auch dazu. Doch am Schießstand merkt man davon kaum etwas. Tief ausatmen, anvisieren und Schuss. Den Knall der Kleinkaliber hört man über das ganze Übungsgelände. Dem Nachwuchstrainer ist aber nicht nur Konzentration wichtig, sondern auch die Handhabung des eigenen Equipments. Beim Liegendschießen müssen die Skistöcke immer schön in der Kniekehle liegen, damit man sie beim Aufstehen besser mitnehmen kann, erklärt er einer Sportlerin. Auch auf das saubere und schnelle Wiederaufziehen der Waffe achtet der sechzigjährige Biathlontrainer.

Die „Waffe“ im Biathlon ist ein Mehrladegewehr mit individuell angepasster Sportschäftung, einem Tragesystem und Dioptervisierung. Diese Visierung wird zum Anpeilen von Zielen mit dem bloßen Auge genutzt. Das Diopter ist die hintere Visiereinrichtung auf der Waffe und besteht aus einer höhen- und seitenverstellbaren Platte mit einer sehr kleinen Durchblicköffnung in der Mitte. Durch diese Öffnung kann man auf die vordere Visiereinrichtung schauen, was ein Stift, auch „Stiftkorn“ genannt, oder eine Scheibe mit einer Öffnung sein kann, das „Ringkorn“.

So sehen die "Waffen" der Biathlet*innen aus.

So sehen die "Waffen" der Biathlet*innen aus.

Wie das Visier funktioniert, erklärt mir Trainerin Metzner anhand einer Schablone.
Wie das Visier funktioniert, erklärt mir Trainerin Metzner anhand einer Schablone.

Die Sonne steht tief und das Training neigt sich dem Ende zu. Trainer Hauswald, Trainerin Metzner und sowie Trainerkollege Bernhard Kröll machen zufriedene Gesichter. Ebenso wie die durchgeschwitzten und erledigten Athlet*innen, die mit dem letzten Einkehrschwung ihr Training für heute abgeschlossen haben. Jetzt noch schnell die Matten aufräumen, Patronen wegfegen und letzten Anweisungen des Trainerteams lauschen, dann geht es in die Umkleidekabine.

Steffen Hauswald hat in seiner Trainerlaufbahn schon vieles erlebt, bis hin zu Olympiamedaillen. Trotzdem hat er noch einen Wunsch für die Zukunft. Er erhofft sich, dass „es noch lange geht mit einigermaßen Winter. Die Kinder sollen davon auch noch viel haben und den Skisport, ob es jetzt Langlauf, Biathlon oder Alpinsport im hobbymäßigen, touristischen Sinne ist, dann auch noch betreiben können“.

Das heutige Trainiergespann bestehend aus Steffen Hauswald (links), Ina Metzner und Bernhard Kröll (rechts) hat für heute auch Feierabend und ist froh, dass alles glatt gelaufen ist und keiner ...

Das heutige Trainiergespann bestehend aus Steffen Hauswald (links), Ina Metzner und Bernhard Kröll (rechts) hat für heute auch Feierabend und ist froh, dass alles glatt gelaufen ist und keiner ...

… die Strafrunde fahren musste.

… die Strafrunde fahren musste.