„Über 90 Prozent der gesamten europäischen Filmbranche würde es nicht ohne öffentliche Filmförderung schaffen.“
Internationale Koproduktionen: ein finanzielles Erfolgsmodell?
„Triangle of Sadness”, „Poor Things” und „Joker”: Filme, die weltweit Kinosäle füllten. Besucherzahlen und Einspielergebnisse sind nicht die einzigen Kriterien für den Erfolg einer Produktion. Das Budget, das einem Film zur Verfügung steht, beeinflusst ebenfalls, wie erfolgreich er ist. Auf europäischen Filmfestivals haben die drei Werke mindestens eine renommierte Auszeichnung erhalten.
Wie finanzieren sich also preisgekrönte europäische Filme?
Filmförderung: Die Finanzspritze für europäische Projekte
Die Produktion eines Films finanziell zu unterstützen, ist für Privatpersonen und Unternehmen riskant: Wie ein Werk beim Publikum ankommt, bleibt ungewiss, bis es in den Kinos anläuft. Dass die USA die internationale Filmbranche dominieren, macht es für europäische Produktionen nicht leichter, geeignete Finanzierungsquellen zu finden.
2023 war „Barbie” mit einem weltweiten Umsatz von über einer Milliarde US-Dollar an den Kinokassen laut dem Einspielergebnis-Portal Box Office Mojo der erfolgreichste Film. Die französische Produktion „Anatomie eines Falls” belegte im Ranking mit einem weltweiten Umsatz in den Kinos von circa 35,6 Millionen US-Dollar nur Platz 95 von insgesamt 200 Titeln.
Damit auch die europäische Filmindustrie die nötigen finanziellen Mittel hat, um sich auf dem internationalen Markt zu beweisen, unterstützen Filmförderungen die verschiedenen Phasen der Produktion: vom Drehbuch über die Entwicklung bis hin zur Veröffentlichung und Vorführung in den Kinos.
Was ist Filmförderung?
Wird ein Film subventioniert, sind meist staatliche Institutionen an der Finanzierung des Projekts beteiligt. Eine Filmförderung kann also ein Unternehmen (wie zum Beispiel eine Produktionsfirma) oder eine Einzelperson finanziell unterstützen.
Quellen: Filmförderung und Subventionskontrolle in Deutschland, Europarat
Im Hinblick auf die Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten bestehen Unterschiede zwischen Eigenproduktionen und Koproduktionen.
Internationale Koproduktionen
Viele Filme, die in den letzten Jahren auf Filmfestivals renommierte Preise erhalten haben, waren internationale Koproduktionen. Der Begriff „Koproduktion“ meint dabei einen Zusammenschluss mehrerer Produzent*innen, die gemeinsam ein Filmprojekt realisieren. Die Entscheidung für eine internationale Produktionsweise kann unterschiedliche Ursachen haben: Etwa absehbare Finanzierungslücken oder die Größe eines Projektes, die die Kapazitäten einzelner Produzent*innen übersteigt. Produktionspartner*innen können voneinander lernen, gemeinsam kulturelle Diversität fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Filmindustrie steigern.
Internationale Koproduktionen gelten auch als komplexer als rein nationale Produktionen. Nachteile sind etwa kulturell bedingte Unterschiede in der Mentalität und Arbeitsweise, sprachliche Verständigungsprobleme und unterschiedliche nationale Rechtsprechungen.
Dennoch ist die Möglichkeit, Zugang zu mehreren nationalen und europäischen Förderungen zu erhalten, für viele Filmemachende eine große finanzielle Erleichterung.
Exkurs: Rechtliche Hintergründe zu internationalen Koproduktionen
Durch internationale Abkommen können Filmschaffende ihr Produktionsbudget erhöhen und ihre Werke wettbewerbsfähiger machen: Koproduktionen werden in jedem am Abkommen beteiligten Staat als anteilig inländische Produktion betrachtet. Dadurch haben Filmemachende in den an der Produktion beteiligten Ländern die Möglichkeit, Gelder der nationalen Fördersysteme zu beantragen. Dafür müssen die zuständigen Behörden den Film vor Drehbeginn als Gemeinschaftsproduktion anerkennen und ihre Förderung genehmigen.
In Deutschland sind das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die Filmförderungsanstalt (FFA) dafür zuständig. Das Filmförderungsgesetz (FFG) bildet die rechtliche Grundlage, internationale Filmabkommen abschließen zu können, wie beispielsweise mit Frankreich, Schweden, Australien und Spanien.
Hier gibt es eine Besonderheit: Angenommen, Filmschaffende aus Deutschland und Frankreich arbeiten gemeinsam an einem Werk. Kolleg*innen, die nicht aus einem der Länder kommen, mit denen Deutschland ein Filmabkommen hat, können sich trotzdem an der Produktion beteiligen – wenn es zwischen Frankreich und dem Land ein Abkommen gibt.
Auf europäischer Ebene besteht seit 1992 das Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen.
Europäische Filmförderungsprogramme
Bei der Finanzierung von Koproduktionen zwischen Mitgliedsstaaten der EU stehen Filmschaffenden verschiedene Förderungsprogramme zur Verfügung. Die wichtigsten sind „Eurimages“ und „Creative Europe MEDIA”. Diese EU-Programme ergänzen sich gegenseitig, ohne dass es dabei zu Überschneidungen kommt.
„Eurimages” ist ein europäischer Fond, der Koproduktion, Vertrieb und Ausstrahlung von Kinofilmen fördert, um die Filmindustrie in Europa zu unterstützen. Seit seiner Gründung im Jahr 1988 hat Eurimages fast 2.500 Filme mit einer Gesamtsumme von etwa 701 Millionen Euro unterstützt. Bekannte Produktionen sind etwa „Das Parfüm” (2006), „Nachtzug nach Lissabon” (2013) und „Triangle of Sadness” (2022).
Auch „Creative Europe Media” fördert die audiovisuelle Branche in Europa und kümmert sich dabei vor allem um den Verleih und Vertrieb der Filme. Im Zeitraum von 2021 bis 2027 verfügt das Programm über ein Budget von rund zweieinhalb Milliarden Euro. Zu den Erfolgsproduktionen gehören etwa die Filme „Die fabelhafte Welt der Amélie” (2001) und „Good Bye Lenin!” (2003).
„Über 90 Prozent der gesamten europäischen Filmbranche würde es nicht ohne öffentliche Filmförderung schaffen. Deswegen ist es wichtig, dass es eine Förderung gibt“, erklärt Max-Peter Heyne, Leiter der Kommunikation im Bereich Filmförderung von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) in Stuttgart. Das zeigt sich vor allem in einem Blick auf die filmkulturelle Situation in der Zeit vor einer öffentlichen Förderung. Qualitätsfilme, die keine kommerziellen Themen behandelten, waren ihrer Zeit voraus und hatten es aufgrund des finanziellen Drucks schwer. So mussten Produzent*innen aus künstlerischer Sicht unerhebliche „Kassenschlager“ produzieren, um sich die Finanzierung von anspruchsvolleren Filmen zu ermöglichen.
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Filmförderung in Deutschland
Die deutsche Filmförderung möchte nationale Projekte stärken, um der Dominanz der US-amerikanischen Filmproduktionen entgegenzuwirken. Eine große Rolle im deutschen Filmfördersystem spielen die staatlichen Förderungen der Bundesländer wie die MFG oder Medienboard Berlin-Brandenburg, aber auch der Deutsche Filmförderfonds (DFFF). So soll die heimische Filmbranche unterstützt und ein Raum für künstlerisch wertvolle Filme geschaffen werden.
Länderübergreifende Zusammenarbeit: nicht nur von Geld getrieben
Um Filme zu finanzieren, stehen Produzierenden viele verschiedene Optionen zur Verfügung. Filmförderungen können wesentlich dazu beitragen, Ideen zu realisieren, die ansonsten nicht ausreichend Budget zur Verfügung hätten.
Internationale Koproduktionen können ein finanzielles Erfolgsmodell sein, das ist jedoch nicht immer der Fall. Diese können laut Heyne „eine stabilere Aufstellung ermöglichen, sodass Produzent*innen das Risiko nicht alleine tragen. Das bietet mehr Sicherheit”. Außerdem erzielen sie im Gegensatz zu rein nationalen Produktionen oftmals über Ländergrenzen hinweg eine größere Reichweite. In kommerzieller Hinsicht sind gemeinsame Produktionen aus mehreren Ländern nicht immer erfolgreich. In den internationalen Kino-Charts sind im Vergleich zu amerikanischen Filmen deutlich weniger internationale Koproduktionen gelistet. Die MFG ermutigt dennoch zu dieser Produktionsweise, so Heyne. Denn hinter länderübergreifender Zusammenarbeit stecken nicht nur wirtschaftliche Motive. Filme bieten auch die Möglichkeit, europäische Kultur zu fördern und die internationale Zusammenarbeit und den Austausch von Produzent*innen zu stärken. Wenn Filmschaffende finanzielle Unterstützung für ihr Projekt beantragen, kann ein Filmförderungsprogramm nicht verlangen, dass das Werk als Koproduktion umgesetzt wird. Das ist allein die Entscheidung der Produzent*innen.
Dieser Artikel bezieht sich auf eine im Rahmen des Moduls „226305 Netzwerk- und Beziehungsmanagement“ erhobene Netzwerkanalyse.
In der Datenerhebung wurde untersucht, welche Produktionsfirmen, Produzent*innen und Filmförderungen an den Filmen beteiligt waren, die im Zeitraum von 2013 bis 2023 die Auszeichnung „Bester Film” bei fünf renommierten europäischen Filmpreisen erhalten haben. Betrachtet wurden der „Goldene Bär” (Berlinale), die „Goldene Palme” (Internationale Filmfestspiele Cannes), der „Goldene Löwe” (Filmfestspiele von Venedig), der „Goldene Leopard” (Locarno Film Festival) und der „Europäische Filmpreis”.
Basis für die Datenerhebung waren die Film-Datenbanken Crew United, IMDb, Cineuropa und Filmstarts sowie die offiziellen Webseiten der Filmpreise.
Der Datensatz und das Codebuch sind auf GitHub verfügbar.